An die Freunde (Friedrich Schiller)

Liebe Freunde! Es gab schoenre Zeiten,
Als die unsren - das ist nicht zu streiten!
Und ein edler Volk hat einst gelebt.
Koennte die Geschichte davon schweigen,
Tausend Steine wuerden redend zeugen,
Die man aus dem Schoss der Erde graebt.
Doch es ist dahin, es ist verschwunden
Dieses hochbeguenstigte Geschlecht.
Wir, wir leben! Unser sind die Stunden,
Und der Lebende hat recht.

Freunde! Es gibt gluecklichere Zonen,
Als das Land, worin wir leidlich wohnen,
Wie der weitgereiste Wandrer spricht.
Aber hat Natur uns viel entzogen
War die Kunst uns freundlich doch gewogen,
Unser Herz erwarmt an ihrem Licht.
Will der Lorbeer hier sich nicht gewoehnen,
Wird die Myrte unsres Winters Raub,
Gruenet doch, die Schlaefe zu bekroenen,
Uns der Rebe muntres Laub.

Wohl von groesserm Leben mag es rauschen,
Wo vier Welten ihre Schaetze tauschen,
An der Themse, auf dem Markt der Welt.
Tausend Schiffe landen an, und gehen,
Da ist jedes Koestliche zu sehen,
Und es herrscht der Erde Gott, das Geld.
Aber nicht im trueben Schlamm der Baeche,
Der von wilden Regenguessen schwillt,
Auf des stillen Baches ebner Flaeche
Spiegelt sich das Sonnenbild.

Praechtiger als wir in unserm Norden
Wohnt der Bettler an der Engelspforten,
Denn er sieht das ewge einz'ge Rom!
Ihn umgibt der Schoenheit Glanzgewimmel,
Und ein zweiter Himmel in den Himmel
Steigt Sankt Peters wunderbarer Dom.
Aber Rom in allem seinem Glanze
Ist ein Grab nur der Vergangenheit,
Leben duftet nur die frische Pflanze,
die die gruene Stunde streut.

Groessres mag sich anderswo begeben,
Als bei uns, in unserm kleinen Leben,
Neues - hat die Sonne nie gesehn.
Sehn wir doch das Grosse aller Zeiten
Auf den Brettern, die die Welt bedeuten,
Sinnvoll, still an uns voruebergehn.
Alles wiederholt sich nur im Leben,
Ewig jung ist nur die Phantasie,
Was sich nie und nirgends hat begeben,
Das allein veraltet nie!

last changes 28.06.2008, Peter Schmieder